09.03.2020

Rhetorische Irrtümer (Regeln, die nicht zur versprochenen Wirkung führen)

Ein Bild mehr sagt als tausend Worte
Alle scheinen daran zu glauben! Wenn Sie nur mit Worten ein Bild «zeichnen», statt ein Foto zu zeigen, erzielen Sie eine höhere Wirkung als das reale Bild. Unglaublich, aber wahr. Deswegen finden Sie einen gelesenen Roman immer besser, als dessen Verfilmung.

Wenn Sie mit Emotionen sprechen, dann lösen Sie Emotionen aus
Wahrscheinlich basiert dieser Irrtum auf dem Zitat «In dir muss brennen, was du in anderen entfachen willst.» Bei einer Rede oder einem Vortrag erzeugt eine flache, emotionsfreie Betonung mehr Wirkung als eine theatralische Intonation.

Sprechen Sie von «wir» statt von «ich»
Wenn Sie Vertrauen erzeugen wollen, stimmt dies nicht! Man vertraut einem einzelnen Menschen mehr als abstrakten Gebilden wie Firmen oder Abteilungen. Sie erzielen eine höhere Wirkung, wenn Sie von «ich» sprechen, anstelle von «wir». Probieren Sie’s aus, es stimmt!

Bei einer Frage zieht man die Stimme am Ende des Satzes nach oben
Nein, Sie erreichen mehr Wirkung, wenn Sie die Stimme nach unten ziehen. Probieren Sie es aus!

Eine Information, die nicht nur über das Ohr sondern zusätzlich auch über das Auge aufgenommen wird, führt zu einer höheren Behaltensquote
Diese Regel wird heute mit PowerPoint umgesetzt mit dem Resultat, dass die Behaltensquote sinkt und die Präsentation kaum noch wirkt. Wer daran zweifelt, stelle sich bitte folgendes Szenario vor: Martin Luther King steht am 28. August 1963 am Lincoln Memorial in Washington, D.C. und hält seine weltberühmte Rede «I Have a Dream» – mit PowerPoint.
Nur Menschen haben die Fähigkeit, zu begeistern, zu motivieren, zu bewegen – nicht technische Hilfsmittel.

Lächeln bei der Präsentation erzeugt Sympathie
Wenn Sie es ausprobieren, hat die Version, bei der Sie «ernst» bleibt, die höhere Wirkung.

Geben Sie eine Übersicht, worüber Sie reden werden
In der Gegenüberstellung erkennen Sie, dass eine Übersicht am Anfang des Vortrags Langeweile auslöst. Die Spannung bleibt erhalten, wenn Sie keine Übersicht geben. Schauen Sie sich die grossen Redner an. Keiner von denen beginnt mit einer Übersicht.

Sie brauchen nicht mitschreiben – hören Sie nur gut zu und konzentrieren Sie sich auf die Präsentation – es steht alles im Handout
Der Akt des Aufschreibens ist ein Akt des Einprägens. Ihnen bleibt vom Vortrag wesentlich mehr in Erinnerung, wenn Sie wichtige Dinge mitschreiben. Beim Vergleich der Erinnerungsquote von Mitschreibern zu Nicht-Mitschreibern erkennen Sie, dass die Mitschreiber um Längen gewinnen.

Benutzen Sie immer auch die weibliche Form – z.B «Bürgerinnen und Bürger»
Die natürliche, ungekünstelte Alltagssprache ist immer die Sprache der höchsten Wirkung. Die sogenannten «gendergerechte Sprache» ist eine Modeerscheinung und hat ihre Grenzen: Fussgängerin / Fussgänger, Diebin / Dieb, Betrügerin / Betrüger).

Bewegen Sie sich ins Publikum, das schafft Nähe
Redner und Präsentatoren laufen bei einer U-Form Bestuhlung oft in die U-Form und bewegen sich auf einzelne Teilnehmer zu. Das soll angeblich Nähe und «Verbindung» zum Publikum schaffen. In der Gegenüberstellung, wo der Redner auf seinem «Energiepunkt» in der Mitte des Auditoriums stehen bleibt und damit Autorität ausstrahlt, erkennt man, dass diese Regel ein Irrtum ist.

Vor einem Fachpublikum brauche ich nur das Fachvokabular zu benutzen. Beispiel sind nicht nötig
In der direkten Gegenüberstellung hat die Version, wo ein Beispiel für den Fachbegriff gegeben wird, gegenüber der Version, wo nur der Fachbegriff für sich alleine erwähnt wird, eine massiv höhere Wirkung – AUCH vor einem Fachpublikum. Probieren Sie’s aus!

 

Hätte ich immer alle Regeln befolgt, hätte ich es nie zu etwas gebracht.
(Marilyn Monroe)

 

nach Matthias Phöm